Datenanalyse formt Champions – nicht nur im Marketing, sondern auch in allen anderen Bereichen des Lebens. Von Formel 1, über Politik bis hin zum Fußball werden seit vielen Jahren immer mehr Daten erhoben und ausgewertet. Dabei geht es sowohl um kleinste Optimierungen als auch um das große Ganze. Eines haben alle Verbesserungen gemein: Sie basieren auf Daten und sorgen für den entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Angesichts von Impfgegnern oder Trump’schen Wissenschafts-Agnostikern klingt das Heraufbeschwören eines Daten-Fakten-Zeitalters fast schon wie Science Fiction. Dennoch illustrieren beide Beispiele meiner Meinung nach die gegenwärtige Situation im Marketing auf bestmögliche Weise: Das laute Marketing dominiert das faktengetriebene Marketing. Während auf der einen Seite momentan immer lauter getrommelt wird, gewinnt die Fraktion des datengetriebenen Marketings im Schatten immer mehr Momentum. Und es gibt zahlreiche Best Practice Beispiele aus der Vergangenheit, die zeigen, dass Datenanalyse einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg geleistet hat.
Telemetrie in der Formel 1
Seit den späten 80er Jahren arbeitet die Formel 1 mit Telemetriesystemen. Seit Anfang der 90er Jahre weitaus exzessiver und seit 2002 sogar mit bi-direktionaler Datenübertragung. Inzwischen wissen selbst Laien, dass der Rennausgang maßgeblich vom Boxenleitstand aus entschieden wird. Datenanalyse macht hier den Unterschied. Weltmeister wird man heute nicht mehr nur durch reines Können hinter dem Steuer. Diese Leistung ist nach wie vor extrem wichtig. Dennoch ist das Beherrschen der Daten und die Reaktion darauf als Team noch um einiges wichtiger. Mehr als 200 Sensoren sowie zusätzliche Steuergeräte sorgen für eine Datenflut, die in jeder Millisekunde übertragen werden. Und anders als im Marketing, bedarf es hier einer Datenanalyse in Echtzeit, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an Hardware und Software sowie die Menschen, die mit dieser Kombination arbeiten.
Was hat Telemetrie mit Datenanalyse und Marketing zu tun?
Höchste Geschwindigkeit, Arbeiten in Grenzbereichen und im Fokus der Öffentlichkeit – mindestens diese drei Faktoren verbinden Marketing und Formel 1 miteinander. Im Gegensatz zum Marketing ist es jedoch in der Formel 1 inzwischen undenkbar, nicht mit Datenanalyse zu arbeiten. Zu deutlich sichtbar sind die Erfolge und wer sich dieser Erkenntnis widersetzt, verliert den Anschluss. Und damit verbunden Sponsorengelder, ganz zu schweigen von enttäuschten Fans und deprimierten Mitarbeitern – nur die wenigsten Verlierer haben langfristige Sympathien. Erkennen Sie die Parallele zu Unternehmen und Marketing? Partner, Kunden und Mitarbeiter hängen kurz-, mittel- und langfristig am Erfolg der Maßnahmen.
Barack Obamas Wahlsieg 2012
Cambridge Analytica – klingelt da noch etwas bei Ihnen? Der Skandal um den Zugriff auf 50 Millionen Facebook-Nutzerdaten durch die Hintertür sorgte 2016 für Schlagzeilen beim Wahlsieg Donald Trumps. Vier Jahre zuvor hatte Obamas Team etwas ganz Ähnliches gemacht. Ausschlaggebend für beide Wahlerfolge waren Siege in den so genannten „Swing States“. Das sind jene wahlentscheidenden Bundesstaaten, in denen die Mehrheiten nicht klar verteilt sind. Und deren Wähler durch Beeinflussung zur Stimmabgabe für die eine oder andere Partei motiviert werden können. Kurzum: Durch Werbung.
Denn ganz gleich, ob US-Demokraten oder Republikaner: Beide Lager versuchen, so viele Daten wie möglich über potenzielle Wähler zu sammeln. Bis zu 500 verschiedene Einzelinformationen bzw. Informationspunkte sind über manche Bürger bekannt – vom Bildungsabschluss, über Kaufverhalten und dem Wohnort. Allein auf der Website www.barackobama.com waren im Jahr 2012 an die 80 unterschiedliche Tracking-Tools zur Datengewinnung im Einsatz. Mit Hilfe von Cookies wurde das Benutzerverhalten auf und außerhalb der Seite untersucht, Kaufverhalten getrackt und die Browserhistorie analysiert. Die Ergebnisse sind sowohl bei Trump und Obama klar ersichtlich. In beiden Fällen machten die Swing States den Unterschied und sorgten für den Sieg.
Was haben Wahlerfolge mit Datenanalyse im Marketing zu tun?
Konsumverhalten und soziodmographische sowie regionale Merkmale wurden kombiniert, um abzuwägen, ob sich die Schaltung von Kampagnen im Einzelfall lohnt. Bin ich der Einzige, der hier Parallelen zum Account Based Marketing (ABM) erkennt? Wähler werden wie Top-Accounts in Unternehmen behandelt und soweit wie möglich getrackt und analysiert. Jede Information kann entscheidend für den Erfolg einer Maßnahme sein bzw. darüber entscheiden, ob und wie welcher Touchpoint bespielt wird. Nimmt man dann noch die Verkettung der Touchpoints im Zeitverlauf hinzu, ergeben sich weitere neue Erkenntnisse über die Interessenten. Gerade im Bereich hochpreisiger Industriegüter kann jedes Detail von besonders hoher Relevanz sein und die Kaufentscheidung beeinflussen. Zukünftig wird Datenanalyse im B2B-Marketing bzw. im Account Based Marketing über Sales-Erfolge gegenüber Buying-Centern entscheiden.
Moneyball-Konzept des FC Liverpool
Was haben Liverpool, Midtjylland und Brad Pitt gemeinsam? Sie alle verbindet das 2003 veröffentlichte Buch „Moneyball“ von Michael Lewis. Darin geht es um das Baseballteam der Oakland Athletics und deren Manager Billy Beane. Letzterer führte das Team mittels computergestützter Statistikverfahren zu historischen Höchstleistungen in der NBL. Unterstützt wurde er dabei von mit Hilfe von Peter Brand, einem Computernerd und Yale-Absolventen, der das Programm entwickelte. Beim FC Liverpool ist man einen ähnlichen Weg gegangen – mit noch besseren Resultaten. Liverpool wurde Englischer Meister, Champions League Sieger, Europäischer Supercup-Sieger und Gewinner der FIFA-Club-Weltmeisterschaft. Alles unter der Ägide von Trainer Jürgen Klopp, der mit Ian Graham einen promovierten Harvard-Physiker in sein Team holte. Graham ist heute Liverpools „Director of Research“ und Mastermind hinter den Erfolgen der Mannschaft – von Transfers bis zu spielentscheidenden Spielzügen.
Was verbindet Fußball, Marketing und Datenanalyse miteinander?
Datenanalyse genießt im Fußball, ähnlich wie im Marketing, keinen guten Ruf. Die Begründungen reichen von Stammtischweisheiten („Das Runde muss ins Eckige.“) bis hin zu Totschlag-Argumenten („Stürmer schießen Tore, nicht Statistiken.“). Am unaufhaltsamen Erfolg der Datenanalyse ändern sie nichts. Längst haben andere Fußballvereine die Methodiken für sich kopiert und verfeinert. Einen Champion ohne Datenanalyse wird es in den Top-Ligen des Profifußballs, ähnlich wie in der Formel 1, nicht mehr geben.
Es wird Zeit, die unwiderlegbaren Fakten anzuerkennen und mit ihnen statt gegen sie zu arbeiten. Nur im Team können Marketing und Fußball erfolgreich sein. Und in beiden Fällen haben bisher Talent, harte Arbeit und der richtige Riecher gereicht. Aber die Zeiten ändern sich. Und im Zeitalter der Daten und Fakten sind es nicht allein kreative Ideen, die den Unterschied machen. Das 8:2 des FC Bayern München über den FC Barcelona im Herbst 2020 ist ein Indiz genau dafür. Heute reicht ein Lionel Messi alleine nicht mehr, um die Champions League zu gewinnen – anders als noch vor sechs Jahren. Neue Zeiten bringen neue Tools und Trends mit sich und Big Data bzw. Data-Driven Marketing ist gekommen, um zu bleiben.
Data-Driven Marketing: Das Ende der Kreativität?
Vor einigen Jahren hatte ich auf einem Kongress eine Pausendiskussion, in der es um Datenanalyse im Marketing ging. Mit am Tisch: Ein Creative Director, ein CEO, eine Redakteurin und ein Marketingleiter. Also mit mir zusammen zwei Marketingleiter. Es war die Reaktion auf einen Vortrag, direkt vor der Pause, in dem die Vorteile von CRM-Tools aufgezeigt wurden. Die Meinungen in der Runde wurden schnell klar: Niemand braucht CRM, das sei alles nur ein künstlicher Hype der Softwarehersteller. Wenn überhaupt müsse man über den Mangel an Kreativität sprechen, der durch immer mehr Verwaltungsaufwand (siehe CRM) noch eklatanter würde.
Ohne Daten sind Sie nur eine weitere Person mit einer Meinung.
William Edwards Deming, Statistiker
Allgemeines Kopfnicken in der Runde – bis auf den anderen Marketingleiter. Er fixierte erst den Creative Director, dann den CEO und sagte dann: „Ohne Daten sind Sie nur eine weitere Person mit einer Meinung. Ich habe Mathematik und Statistik studiert und dieser Satz von William Edwards Deming ist mir in bester Erinnerung geblieben. Er bringt auf den Punkt, was Mathematik und Stochastik an Veränderungspotenzial für unsere Branche bieten: Einen vorurteilsfreien Blick auf Kunden und Märkte.“
Datenwissenschaftler als Hüter der Kreativität
Für mich war das ein Wendepunkt in meiner Wahrnehmung von Marketing und Data-Analytics. Beides sind Disziplinen, die hohe Anforderungen an Kreativität stellen. Unterhalten Sie sich mal mit Mathematikern über die Ästhetik von Formeln und Algorithmen. Fangen Sie mit Fibonacci-Zahlen an – das ist für visuell denkende Marketer ein leichter Start und für Mathematiker ein leichter Appetithappen. Und jetzt stellen Sie sich vor, was mit Alogrithmen und Datenmodellen noch alles möglich wird, welche Welten sich erschließen lassen. In das gleiche Horn stößt ein Beitrag von John Copeland im Adobe-Blog mit dem Titel „Datenwissenschaftler: Die neuen Hüter der Kreativität“.
Es geht weniger um das Ende der Kreativität, sondern um neue Räume für Kreativität. Ressourcen sind knapp – das gilt gleichermaßen für Budgets, wie auch für Personal. Alleine aus diesem Grund lohnt es sich schon, die neuen Möglichkeiten zu nutzen: Um Ressourcen effizienter zu nutzen und Potenziale freizusetzen. Aber dafür braucht es auch neue Positionen im Marketing bzw. im Unternehmen, die hierfür genutzt werden können. Nur wenige Firmen im B2B sind derzeit so aufgestellt, dass sie diesen aufkommenden Wandel nicht nur stemmen, sondern auch gestalten können. Hier besteht in der Tat großer Nachholbedarf auf C-Level, aber auch darunter.
Takeaway (TL;DR)
- Marketing und Datenanalyse müssen endlich zusammenwachsen.
- Vorurteile gegenüber Data-Analytics gibt und gab es auch schon in anderen Bereichen.
- Formel 1, Wahlkämpfe und Fußball werden heute u.a. durch Datenanalyse entschieden.
- Das systematische Analysieren von Daten bedeutet nicht das Ende der Kreativität.
- Data-Analytics schafft neue (kreative) Freiräume und deckt Potenziale auf.
- Dafür braucht es neue Köpfe/Positionen und Techniken (z.B. Growth Hacking).
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