Robert Cialdini ist gewissermaßen der Entdecker dessen, was wir heute Influencer nennen. Ihm zufolge müssen auch B2B-Influencer ihre Positionierung unter anderem auf Autorität, Vertrauenswürdigkeit, Hingabe und konsistentem Verhalten aufbauen. Hinzu kommen ein netzwerkorientierter Charakter und die Fähigkeiten, zu begeistern und zu überzeugen. Schon hat man einen Multiplikator, oder neudeutsch einen Influencer. Ganz so einfach ist es nicht. Dennoch ist der Weg zur Positionierung als B2B-Influencer nicht so weit, wie es vielleicht in der öffentlichen Diskussion den Anschein erweckt.
Thought Leader vs. Influencer
Die Sache mit Influencern ist die, dass sie im B2B-Marketing eine andere Rolle spielen, als im B2C-Bereich. Das liegt vor allem am Prozess der Kaufentscheidungen, denn im Gegensatz zum B2C sind Kaufentscheidungen im B2B weniger emotional und mehr von Fakten getrieben. Ein B2B-Influencer kann daher, anders als ein B2C-Influencer, nicht im Alleingang für eine Kaufentscheidung durch eine Empfehlung sorgen. Deshalb ist der Begriff Influencer im B2B-Kontext aus meiner Sicht nicht ganz richtig. Viel besser eignet sich meines Erachtens der Begriff Thought Leader.
Es genügt nicht nur eine Haltung zu haben, man muss sie auch vertreten.
Helmut Glaßl, Maler und Aphoristiker
Ein Thought Leader ist eine Person, die in einem bestimmten Bereich ein Meinungsführer aufgrund der ihr eigenen Kompetenz ist und deren Handlungen und Äußerungen andere beeinflussen. Steve Jobs war so ein Thought Leader und Elon Musk ist es heute mit seinen Unternehmen Tesla und SpaceX. Doch auch und gerade im Deutschen Mittelstand habe ich viele derartige Persönlichkeiten erlebt, ohne dass diese sich selbst als Influencer oder Thought Leader sehen würden.
Was einen Thought Leader ausmacht
- Leidenschaft für ein bestimmtes Thema
- Visionen und unkonventionelle Ideen prägen das Denken und Handeln
- Experte und Problemlöser in einem eng umrissenen Themenbereich
- Innovationstreiber einer Branche / Sparte
- Ecken und Kanten durch geradlinige Kommunikation und klare Statements
Derartige Charaktere sind recht selten. Wohl dem Unternehmen, das so eine Persönlichkeit mit Strahlkraft in seinen Reihen hat. Alle anderen Unternehmen, die auf die Power von Influencer Marketing bzw. Thought Leadership setzen möchten, müssen diese Personen entweder rekrutieren oder besser noch entwickeln.
Thought Leadership ist harte Arbeit
Wer Thought Leader werden möchte, muss dafür viel Aufwand betreiben. Und anders als bei Testimonials in der Werbung lässt sich Thought Leadership nicht kaufen. Und auch sonst haben Thought Leadership und Testimonials nicht viel gemeinsam. Der gemeinsame Nenner ist der Versuch, ein Vertrauen in die beworbene Marke aufzubauen bzw. von der positiven Strahlkraft der Persönlichkeit auf die Marke zu profitieren. Influencer und Thought Leader nutzen ihr thematisches Umfeld, um ein Produkt oder eine Lösung zu präsentieren. Das sorgt in der Regel für maximale Glaubwürdigkeit. Bei Testimonials sieht das oft anders aus, oder können Sie mir erklären, was Barbara Schöneberger und Homann Pellkartoffelsalat thematisch gemeinsam haben? Da finde ich Tim Höttges, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender der Telekom AG, deutlich glaubwürdiger als Thought Leader für Telekommunikation und als Markenbotschafter für die Telekom.
Kundenstimmen und Referenzen im B2B
Laut einer aktuellen Studie von Fink & Fuchs zur B2B Influencer Kommunikation sind die meisten B2B-Unternehmen noch nicht im Influencer-Zeitalter angekommen. Bevorzugt werden Kundenstimmen und Referenzen in der Kommunikation verwendet. Gleichsam sind viele Unternehmen im B2B-Segment überzeugt davon, dass sie in ihren Mitarbeitern ein Multiplikator-Potenzial haben, das bisher nicht oder nicht vollständig gehoben wurde.
Das gute Beispiel ist nicht eine Möglichkeit, andere Menschen zu beeinflussen. Es ist die einzige.
Albert Schweitzer, Arzt und Philosoph
Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit sehen Unternehmen dabei gleichsam positiv wie negativ. Während mehr als 80% der Studienteilnehmer glauben, dass sich Influencer positiv auf das Image und die Reputation einer Marke auswirken, sehen auch gut 60% das Risiko, dass die Glaubwürdigkeit beschädigt werden könnte. Ohnehin ist Glaubwürdigkeit eine wesentliche Kernkompetenz von Thought Leadern und Influencern. Und damit einhergehend Integrität auf Aufrichtigkeit. Das macht Thought Leader zu Leuchttürmen und positiven Beispielen, die Orientierung bieten.
Ausbildungsberuf B2B-Influencer
Was heute noch wie Zukunftsmusik klingt, könnte in einigen Jahren schon Realität sein: Influencer als anerkannte Ausbildung. Wer nicht so lange warten möchte, kann Thought Leadership erlernen. Nichts daran ist magisch oder mysteriös, sondern das Ergebnis präziser Analyse, tiefgreifender Recherche und optimaler Positionierung. Letzteres erfordert ein gewisses Maß an Extrovertiertheit und Selbstbewusstsein, denn das Stehen in der Öffentlichkeit und auf der großen Bühne bringt nicht nur Lob, sondern auch Gegenwind und Kritik mit sich. Doch auch der Umgang mit kritischen Stimmen lässt sich erlernen, wenn es dann soweit ist.
Fachwissen ist der Schlüssel zum Erfolg
Wer Thought Leader und damit Influencer im B2B werden will, muss sich täglich mit seiner Branche und dem dort nötigen Expertenwissen auseinandersetzen sowie den Blick über den Tellerrand haben, um beispielsweise Schlüsseltechnologien und Trends aufzuspüren, die es in der eigenen Marktnische umzusetzen gilt. Doch auch abseits der großen Leuchttürme, wie Elon Musk oder Tim Höttges, gibt es Raum für Influencer und Thought Leader.
Arten von Influencern
Sie werden es schon gemerkt haben: Es gibt durchaus Unterschiede im Bereich der Influencer. Das liegt unter anderem an der Komplexität von Kaufprozessen im Industriegütermarketing, aber auch an der Vielzahl an Kanälen. Wenn ein Interessent im B2B-Kontext den Kontakt zu Ihrem Vertriebsmitarbeiter aufnimmt, dann können Sie in mehr als der Hälfte der Fälle davon ausgehen, dass diese Person sich mit Ihrem Produkt oder Ihrer Lösung bereits intensiv auseinandergesetzt hat. Konkret wurden bereits Angebote ausgeschlossen und es gibt bestimmt auch schon Präferenzen. Genau hier muss Influencer-Marketing einsetzen, um subtil bereits vorher einzugreifen und einen Einfluss auf die Kaufentscheidung zu nehmen und für Ihr Unternehmen positiv zu gestalten. Das geht auf unterschiedlichen Wegen:
- Social Influencer
Vertreten Meinungen und liefern O-Töne in öffentlichen (sozialen) Netzwerken - Event Ambassador
Anzutreffen bei sämtlichen Leitveranstaltungen einer Branche als (Keynote) Speaker - Experten und Spezialisten
Fertigkeiten und Kenntnisse von Mitarbeitern - Anwender Expertise
Kunden oder Partner als Testimonial-Geber im B2B
Wenn Unternehmen über Influencer-Marketing nachdenken, sollten sie die ersten drei Arten in den Vordergrund rücken, denn diese zahlen nachhaltig auf die eigene Marke ein. Das sollte Sie aber nicht davon abhalten, auch Testimonials und Success Stories in Ihren Content Marketing Mix einzubeziehen. Oder wie es mein Großvater immer sagte: Das Eine tun, ohne das Andere zu lassen.
Zielgruppen als Influencer
Einen interessanten Ansatz verfolgt das Schweizer Unternehmen Andritz. Dort hat man sich die Frage gestellt, wie die besonders spitze Zielgruppe im heterogenen Spezialanlagenbau noch besser erreicht werden kann. In einem ersten Schritt wurden für unterschiedliche Influencer-Zielgruppen außerhalb des Unternehmens entsprechende Personas definiert, die sich als Multiplikatoren auf unterschiedlichen Ebenen eigenen. Im nächsten Step wurden diese Zielgruppen mit speziell zugeschnittenen Inhalten bespielt, um diese für Andritz zu begeistern und in der Folge die Andritz-Produkte in ihren eigenen Netzwerken positiv darzustellen. Influencer-Marketing durch die Hintertür, denn die identifizierten Meinungsmacher wurden nicht offensiv als Influencer angesprochen, sondern für die Produkte und Services begeistert.
Dieser zielgruppenorientierte Ansatz bedeutet für Unternehmen im Industriegütermarketing die Abkehr vom vielfach vorhandenen Silodenken. Nur im engen Zusammenspiel von Marketing und Vertrieb ist es möglich, diesen indirekten Vertriebsansatz umzusetzen, ähnlich wie beim Data Driven Marketing. Hinzu kommt, dass B2B-Influencer-Kommunikation nur in solchen Unternehmen erfolgreich ist, in denen die richtigen Tools eingesetzt werden, wie beispielsweise Adobe Marketo Engage.
Thought Leadership ist ein Marathon
Wer sich im B2B-Marketing auf den Weg zum Influencer-Aufbau und damit zum Thought Leadership macht, sollte sich auf einen Marathon einstellen. Kurzfristige Erfolge wird es sicher auch geben, sie sind aber die Ausnahme auf einem langen Weg. Für die Industriegüter-Branche sehe ich persönlich aber keinen Weg, der mittel- oder langfristig am Influencer-Ansatz vorbei führt. Zudem lassen sich Thought Leadership und Content Marketing perfekt miteinander verquicken. Denn nur wenn Sie herausfinden, welcher Influencer-Typ mit welchem Inhalt bespielt wird und welche Botschaften am besten zu Ihrer Marke und Ihren Produkten und Lösungen passen, werden Sie erfolgreich sein.
Takeaway (TL;DR)
- Influencer im B2B sind in der Regel Thought Leader.
- Thought Leader / Influencer können entwickelt werden. Das braucht Zeit.
- Influencer-Marketing funktioniert nur im Zusammenspiel mit Content Marketing.
- Ziele und Tools sind wichtig für erfolgreiches strategisches B2B Influencer Marketing.
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