Der Kunde ist König. So lautet seit jeher ein einfacher Merksatz für Vertrieb und Marketing. Oder um es Neudeutsch zu sagen: Customer Experience (CX) ist der Top-Erfolgsfaktor, nicht nur für B2B Unternehmen. Doch was genau verbirgt sich hinter dem Begriff? Und wie können Sie Customer Experience für Ihren Erfolg nutzen? Hier finden Sie die wichtigsten Fakten, Trends und Tipps für ein besseres Kundenerlebnis.
Um Customer Experience, oder kurz gesagt CX, verstehen zu können, ist es wichtig, den Begriff und dessen Bedeutung zu verstehen. Mir gefällt am besten diese Definition für Customer Experience: Das Kundenerlebnis ist die Summe der Wahrnehmungen, Gefühle und Meinungen der Kunden zu einer Marke. Konkret geht es um die Frage: Welche Erfahrungen machen Kunden mit Ihrem Unternehmen / Ihrer Marke? Wer jetzt an Kundenservice und Servicequalität denkt, liegt damit nicht ganz falsch. Aber es ist mehr als nur der Service, der hier bewertet wird. Es geht um das Gesamterlebnis Marke bzw. Unternehmen entlang der kompletten Customer Journey.
Entsprechend ist das Managen der Customer Experience eine Aufgabe, der immer größere Bedeutung zukommt. Zumal in zunehmend transparenter werdenden Märkten. Durch den öffentlichen Austausch im Internet, mithilfe von Messengern und via Social Media sind Meinungen über Marken und Unternehmen überall zugänglich und omnipräsent. Wer hier nach der Maßgabe „Was juckt es die Eiche, wenn sich die Sau an ihr reibt?“ handelt, hat als Unternehmen keine leuchtende Zukunft. Das proaktive Managen der Customer Experience ist eine große Herausforderung für B2B Unternehmen.
Silodenken vs. Customer Centricity
Kunden sind in den seltensten Fällen Könige und Industrieunternehmen bilden da keine Ausnahme. Interessenten sind es schon eher, aber oftmals nur bis zum Kauf. Kundenzentrierung scheitert oftmals an fehlenden Tools und wo das nicht der Fall ist, an Silodenken. Gerade in B2B-Unternehmen habe ich es oft erlebt, dass Abteilungs- oder Business Unit Denken an der Tagesordnung ist. Intern wird dann gerne von „denen“ und von „uns“ gesprochen und mehr übereinander als miteinander geredet. Die harten Jahre der Kostenoptimierung und Auslagerung von Business Units haben ihr Übriges getan, um das Silodenken zu befeuern und tief im Denken der Mitarbeiter zu verankern.
Silodenken ist der natürliche Feind von Kundenzentrierung bzw. Customer Centricity. Denn mit dem Kunden im Fokus dürfte es keine Sollbruchstellen geben. Kundenzentrierung ist ein permanenter Staffellauf um die Gunst des Kunden. Ziel ist es, besonders schnell und effizient zu sein, die Positionen gut zu besetzen und vor allem ein besonders Augenmerk auf die Staffelübergabe zu legen. Auf diese Weise gewinnt man den Staffel-Marathon um die Kundengunst. Mit anderen Worten: Unternehmen müssen hart arbeiten, um sicherzustellen, dass jeder Schritt auf dem Weg zum Kunden fokussiert und intensiv bearbeitet wird. Und nicht nur ein spezieller Bereich.
Strategien zur Verbesserung der Customer Experience
Wenn man in allen Bereichen gut sein muss, bedeutet das noch lange nicht, dass die Customer Experience entlang der Customer Journey einer geraden Linie entspricht − rein grafisch gesprochen. Natürlich kann es eine Strategie sein, entlang der gesamten Prozesskette gleich gut zu performen. Doch nur die wenigsten Unternehmen können diese Strategie tatsächlich in die Praxis umsetzen.
Eine Alternative ist die Peak-End-Theorie, bei der man den Höhepunkt an das Ende des Kaufprozesses legt. Dann hat man eine aufsteigende Linie, vielleicht sogar mit einigen Dellen, die aber am Ende einen Höhepunkt erreicht, der den Kunden über die Dellen hinwegsehen lässt. Das dürfte in vielen Unternehmen der realistischere Weg sein.
Emotionen und Personalisierung
Was die Peak-End-Theorie deutlich macht: Kunden sind auch nur Menschen. Sie reagieren auf Emotionen und sind empfänglich für individuell zugeschnittene Kommunikation. Je besser sich ein Interessent fühlt, desto wahrscheinlicher wird ein Kauf. Immer vorausgesetzt, das Produkt ist wettbewerbsfähig. Hinzu kommt, was die Rheinländer mit „Jede Jeck is anders“ bezeichnen: Jeder Mensch ist anders. Also auch jeder B2B-Kunde. Und angesichts der Tatsache, dass gerade im Business-to-Business inzwischen mehr und mehr Kaufentscheidungen durch heterogen besetzte Buying Center getroffen werden, kommt der Personalisierung von Kundenkommunikation eine noch höhere Bedeutung zu.
Mit der Personalisierung einher geht die Notwendigkeit der systematischen Datenerhebung und -auswertung. Nur mit gezieltem Data Driven Marketing in Verbindung mit einem Customer-Relationship-Management System lassen sich die benötigten Daten erheben und auswerten. Sie werden die richtigen Fragen stellen müssen, um sich Ihrer Zielgruppe bestmöglich anzunähern. Dabei können Ihnen Customer Profile Templates helfen. Dabei handelt es sich um Tools, die Ihnen dabei helfen, tief in die Customer Journey einzusteigen und Ihre Zielpersonen besser zu verstehen. Und damit auch besser zu erreichen. Das Ergebnis einer solchen Analyse ist letztlich eine Persona, die Ihnen auch bei anderen Gelegenheiten in der B2B-Marketingkommunikation behilflich ist, zum Beispiel beim Planen des Website Relaunchs.
Gute Beispiele für Datenanalyse und Personalisierung
Während die Persona Ihnen bei der Abstraktion hinsichtlich der Zielgruppen und Ihrer Bedürfnisse hilft und Sie damit bei der Personalisierung Ihrer Botschaften unterstützt, ist es Aufgabe der Kommunikation, die Botschaften emotional aufzuladen. Gute Beispiele, wie sich aus Daten zielgerichtete und emotionale Kommunikation ableiten lässt, finden sich Beispielsweise bei Netflix oder Amazon Prime. Dort werden Daten von Nutzern gezielt dazu genutzt, um Empfehlungen zu geben, aber auch, um den Kundenservice zu verbessern durch vorausgefüllte Formulare und personalisierte Follow-ups.
Das passende Negativerlebnis hatte ich kürzlich mit meinem Telefonanbieter, wo ich zur Freischaltung einer weiteren Telefonnummer aus dem persönlichen Bereich heraus in ein weiteres Portal (was schon ein Unsinn an sich ist) geleitet wurde. Dort musste ich dann meine Kundendaten erneut in ein Formular eintragen, dabei waren die Daten ja schon bekannt. Das musste ich dann dreimal wiederholen. Lebenszeitverschwendung. Mag sein, dass derartig kundenfeindliche Lösungen bisher funktioniert haben. Allerdings werden Kunden immer anspruchsvoller, weil es eben Unternehmen gibt, die anders agieren. Und das Belohnungssystem in unserem Gehirn ist mächtig! Deshalb möchten Kunden diese Erlebnisse ständig und überall haben.
Best Practice Beispiele für CX im B2B
Eine Studie von Accenture zeigt, dass über 90% aller B2B-Entscheider der Ansicht sind, dass die Customer Experience ausschlaggebend für für die strategischen Prioritäten ihres Unternehmens sein sollte bzw. es bereits ist. Warum es dann allerdings wenig wirklich gute Beispiele gibt, in denen ein optimales Kundenerlebnis im Fokus der Bemühungen steht, erklärt sich bei soviel Zustimmung nicht. Doch es gibt sie, die wirklich guten Beispiele.
Bell Canada: Proaktives Lösen von Kundenproblemen
Das Telekommunikationsunternehmen Bell Canada stellt seinen Kunden im Self-Service-Bereich eine Knowledge-Base bereit, die beim Lösen von Problemen behilflich ist. Auf diese Weise muss nicht erst auf einen Kundenservice-Termin gewartet werden, was in vielen Fällen schon ein echter Zugewinn ist. Das Unternehmen geht aber noch weiter. Wenn das Unternehmen einen Trend für eine bestimmte Fragestellung erkennt, schiebt es diese Lösung im Self-Service-Bereich an eine prominente Stelle, um die Sichtbarkeit für andere Kunden zu erhöhen. Das entlastet nicht nur den Kundenservice, sondern sorgt beim Kunden für messbar höhere Zufriedenheit, denn auch dort wird Aufwand gespart und werden Nerven geschont.
Hexagon: Immersive Customer Experience mit Augmented Reality
Beim schwedischen Unternehmen Hexagon gibt es verschiedene Ansätze, um Kunden und Aktionäre mithilfe von Augmented Reality bessere Informationen für ihre Entscheidungen zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es um Projekte, wie den Mars Rover oder einfach nur den Geschäftsbericht. Inzwischen gibt es dazu sogar eine eigene App, mit der sich diese Informationen verarbeiten lassen. Gerade in Industrien mit schwer erklärbaren bzw. sehr technischen Lösungen ist dieses Vorgehen eine interessante Alternative, die sich wunderbar mit klassischer Kommunikation kombinieren lässt (was wiederum Hexagon derzeit noch nicht gut gelingt). Gerade im Customer Service können Augmented Reality Lösungen für eine deutlich verbesserte Customer Experience sorgen, hier ist seit Corona ein echter Umschwung erkennbar.
Reifenhäuser: Visual Assistance statt Vor-Ort-Service
Für die Inbetriebnahme von Anlagen ist es unabdingbar, dass Experten vor Ort die richtigen Einstellungen vornehmen. Per Datenbrille überträgt das kundeneigene Montage-Team das lokale Montagegeschehen live über das Virtual Assistance Center an einen Experten bei Reifenhäuser. Dieser führt das Remote-Team beim Kunden dann Schritt für Schritt durch den Prozess. Dabei werden dem Monteur vor Ort zudem alle notwendigen Informationen über ein integriertes Display zum jeweils richtigen Zeitpunkt situativ bereitgestellt. Hierdurch wird auf der einen Seite die Kompetenz der Mitarbeiter vor Ort gestärkt, zum anderen werden Reisekosten reduziert und die Servicequote verbessert. Mit der gleichen Technik lassen sich zukünftig weitere Supportanfragen beantworten bzw. Probleme lösen.
Freudenberg: Schneller ans Ziel mit Virtual Assistance
Auf der Website der Freudenberg Gruppe gab es einen Virtual Assistant, der bei der Orientierung behilflich war und Kunden bzw. Interessenten schneller ans Ziel bringen sollte. Eigentlich war es nichts anderes als ein simplifizierter Chat-Bot, der auf vorgefertigte Fragestellungen eine Antwort lieferte. Keine künstliche Intelligenz und an und für sich nicht wirklich besonders. Aber Kunden werden durch Fragestellungen besser aktiviert und lassen sich dadurch an das von Ihnen gewünschte Ziel leiten. Gute Einzelhändler wissen das schon immer und nutzen diese Technik, um durch Beratung und Freundlichkeit mehr Umsatz zu generieren. Es muss ja nicht immer das „Fragen Sie den Kollegen“-Verhalten aus dem Baumarkt sein, oder?
Tipps für bessere Customer Experience im B2B
Ist Customer Experience immer digital?
Klare Antwort: nein. Natürlich gibt es auch zahllose Beispiele für positive Kundenerlebnisse, die nicht digital sind. Beispielsweise lohnt es sich für viele B2B-Unternehmen immer noch, die telefonische Erreichbarkeit zu verbessern und die Kommunikation für den Kunden bzw. Interessenten zu einem Positiverlebnis zu machen. Angesichts der Tatsache, dass inzwischen aber mehr als 60% der B2B-Kommunikation über digitale Kanäle funktioniert, lohnt sich die Optimierung hier besonders. Zumal es im Digitalbereich noch zahlreiche Möglichkeiten gibt, die es zu entdecken gilt. Um den richtigen Ansatz zu finden, müssen Industrieunternehmen jedoch bereit sein, anders zu denken und zu handeln.
Verstehe ich die Bedürfnisse meiner Zielgruppe wirklich?
Diese Frage sollten sich B2B-Unternehmen am Beginn Ihrer Reise zu einer verbesserten Customer Experience stellen. Und es ist keine Schande, hier noch einmal zurück auf Los zu gehen und einfach alle bisherigen Annahmen zu vergessen und ganz vorne anzusetzen. Denken Sie an Unternehmen wie Tesla oder SpaceX, die bestehende Lösungen von Grund auf in Frage stellen und dadurch so disruptiv sind, wie sie es eben sind. Ähnlich verhält es sich mit der Frage nach der Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe.
Die Antworten auf die Bedürfnisse können Sie anschließend mit bestehenden oder sich abzeichnenden Megatrends abgleichen bzw. anreichern. Dadurch entsteht vielleicht sogar mehr als ein Ansatz zur Verbesserung des Kundenerlebnisses entlang der Customer Journey. Möglicherweise entwickeln Sie ja ein disruptives Geschäftsmodell.
Wie kann ich Customer Experience messen?
Es gibt verschiedene Ansätze, um das Kundenerlebnis zu messen. Eine sehr einfache und weit verbreitete Variante ist es, Kunden vor und nach Installieren von Verbesserungsprozessen zu befragen. Das ist dann eine reine Input-Output-Messung mit Fokus auf die Fragestellungen: „Hat es Ihnen gefallen?“. Diese Fragestellung resultiert mehr oder weniger in einer Ja-Nein-Antwort, selbst wenn man das Ergebnis auf einer Schulnoten-Skala bewerten lässt. Besser wäre es daher, einen ergebnisorientierten Ansatz zum Messen der Customer Experience zu verfolgen und damit die Fragestellung: „Welchen Unterschied macht es?“ in den Fokus des Messbaren zu rücken. Damit lassen sich auch verschiedene Touchpoints entlang der Customer Journey gleichzeitig abfragen, vom Erstkontakt über die Vertragsanbahnung bis zum Kundenservice. Für B2B-Unternehmen bedeutet das, dass sie ein Framework zum Messen und Bewerten der Customer Experience für jeden Touchpoint entwickeln müssen. Und da die Customer Journey stark individuell ist, muss es das Bewertungssystem auch sein.
Wie kann ich Kundenzufriedenheit messen?
Deutlich leichter ist es, die Kundenzufriedenheit zu messen. Beispielsweise lohnt es sich, das KANO-Modell der Kundenzufriedenheit mit in die Überlegungen zu einem Customer Experience Rating Framework einzubeziehen. Alternativ gibt es weitere Möglichkeiten, der Kundenzufriedenheit auf die Spur zu kommen, beispielsweise mit Customer Satisfaction Score (CSAT), Net Promoter Score (NPS) oder Customer Effort Score (CES). Dennoch ist es zu einfach, sich auf die reine Kundenzufriedenheit zu stützen. Natürlich ist diese, gerade für das Marketing und den Vertrieb, von größtmöglichem Wert. Zufriedene Kunden werden erneut kaufen und im Customer Lifecycle eine neue Runde drehen. Frustrierte Kunden hingegen können zu einem größeren Problem werden. Beispielsweise dann, wenn sie ihrem Unmut online Luft verschaffen. Soziale Medien, Foren und Chats bieten genügend Raum für Rufschädigung und damit verbundene Umsatzeinbußen.
Wichtiger aber ist die Erkenntnis, dass man noch nicht einmal Kunde sein muss, um bis zu diesem Punkt zu gelangen. Der Interessentenstatus reicht, um frustriert zu sein und die Customer Journey abzubrechen und schlimmstenfalls seinem Frust online freien Lauf zu lassen. Genau deshalb ist es wichtig, nicht nur die Kundenzufriedenheit zu messen, sondern die Customer Experience als Ganzes zu betrachten. Dann werden Sie viel schneller Engpässe und Probleme entdecken, die Ihrem Geschäftserfolg im Weg stehen können.
Takeaway (TL;DR)
- Customer Experience wird von 90% aller B2B-Führungskräfte als Top-Priorität eingeschätzt.
- Gute CX ist das Ergebnis von Datenanalyse und Personalisierung.
- Im B2B müssen heterogene Buying Center emotional und rational abgeholt werden.
- Best Practice Beispiele für Customer Experience im B2B helfen bei der Orientierung.
- CX muss nicht digital sein, bei mehr als 60% digitaler Kommunikation ist die Effizienz am höchsten.
- Etablieren Sie Customer Experience Rating Frameworks zum Messen Ihres Erfolges.
- Beschränken Sie sich nicht nur auf das Messen der Kundenzufriedenheit.
- Stellen Sie die richtigen Fragen, um zum Kern der Customer Experience zu gelangen.
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