Rund 1000 Seiten Marketing Know-how verspricht das „Praxishandbuch B2B-Marketing“ des Springer Gabler Verlags. Herausgeber ist Uwe Seebacher, einer der Vordenker im Bereich B2B-Marketing in Europa. Gemeinsam mit mehr als 30 weiteren Autoren hat er eine Art Marketing-Bibel mit allem Wissenswerten über den Status Quo im B2B-Marketing zusammengestellt. Es hat mich mehrere Monate gekostet, um mich durch das Buch zu arbeiten und mir eine Meinung zu bilden. Grund genug, diese Erkenntnisse mit Ihnen zu teilen.
Theorie vs. Praxis – Ein Vergleich mit Kotler/Keller/Bliemel
Bisher war das dickste Fachbuch zum Thema B2B-Marketing das Standardwerk „Marketing-Management“ von Kotler/Keller/Bliemel mit 1259 Seiten. Und mit 921 Seiten rangiert nun Uwe Seebachers „Praxishandbuch B2B-Marketing“ auf dem zweiten Platz. Inhaltlich trennen die beiden Werke aus meiner Sicht Welten: Während Kotler sich mehrheitlich der Theorie widmet, liegt der Fokus des Seebacher-Werkes auf der Praxis – der Titel ist hier Programm.
Auch didaktisch liegen beide Werke weit auseinander. Kotler/Bliemel bauen die Kapitel sukzessive aufeinander auf und ziehen Synergien aus zuvor vermitteltem Wissen. Das macht das Buch nicht nur zu einem Lehrbuch für Marketing-Novizen, sondern auch zu einem exzellenten Nachschlagewerk. Ganz anders verhält es sich mit dem „Praxishandbuch B2B-Marketing“ von Uwe Seebacher et al. Aufeinander aufbauend sind die Beiträge im Buch nicht. Vielmehr wirkt das wie eine kuratierte Stoffsammlung zum Status Quo des B2B-Marketing, etwas magaziniger und weniger studienorientiert.
Praxisnutzen des Praxishandbuch B2B-Marketing
Wer im B2B-Marketing tätig ist, findet im „Praxishandbuch B2B-Marketing“ viele interessante Aspekte, sowie Themen, über die es sich nachzudenken lohnt. Zudem bieten die im Buch vorgestellten Best Practices eine Orientierungshilfe in der Praxis. Leider gilt auch hier, was für das gesamte Buch gilt: Die Qualität der vermittelten Inhalte hängt stark vom jeweiligen Autor ab. Bei über 30 Autoren ist die Fallhöhe entsprechend hoch. Wirklich außergewöhnliche Beiträge wechseln sich mit sehr durchschnittlichen ab. Das ist schade, denn es macht nicht nur das Lesen schwer, was schon schlimm genug ist. Auch das Verstehen und Anwenden der gelernten Inhalte wird dadurch nicht leichter.
Während mir das Lesen des ersten Teils noch recht leicht fiel, hat mich der zweite Teil sehr geschlaucht. Der Grund dafür ist schnell erklärt. Der erste Teil stammt nahezu komplett aus der Feder von Uwe Seebacher und ist von zum Teil bereits veröffentlichten Inhalten durchsetzt. Das ist keine Kritik, denn die Inhalte sind wirklich hochwertig und bieten viele spannende Anregungen, die sich leicht und locker lesen lassen. Kommen wir zurück zur Fallhöhe, denn der zweite Teil kann das Niveau von Uwe Seebachers Beiträgen nur teilweise erreichen. Das gilt punktuell auch für den dritten Teil, in dem es um Best Practice Beispiele geht. Dort ist es nur nicht so auffällig und störend, was vielleicht an den Autor:innen liegt.
Meine Highlights aus dem Praxishandbuch B2B-Marketing
Meine Highlights im Buch sind völlig subjektiv und meinen persönlichen Vorlieben geschuldet. Zudem waren es die Beiträge, die sich meines Erachtens am flüssigsten lesen ließen. Die Reihenfolge stellt keine Wertung dar:
- Central Business Intelligence – Ein Vorgehensmodell für KMUs
— Lukas Strohmeier - From Zero to Hero – Eine Fallstudie von B2C Praktiken als Umsatzbringer im B2B
— Mike Kleinemaß - Das B2B Marketing Reifegrad Modell – Wie Ihr Weg zu Predictive Profit Marketing aussieht
— Uwe Seebacher - Erfolgreiches Lead Management – Nothing’s Gonna Stop us Now
— Stephan Wenger - Contingency-Centric Content Management (CCCM) – Mit Smart Content die Kunden trotz Informationsflut erreichen
— Olaf Mörk
Das soll den Informationsgehalt der anderen Beiträge keinesfalls schmälern. Geschmäcker sind verschieden und ich lese gerne flüssig in natürlicher Sprache geschriebene Artikel und Bücher. Diesen Anspruch habe ich auch an meine eigenen Werke und ich weiß, dass das nicht jedermanns Entscheidungskriterium ist. C’est la vie!
Mein Fazit
Wenn ich mich der Stimme enthalten könnte, würde ich das an dieser Stelle gerne tun. Der Grund ist, dass ich mir mit einer klaren Empfehlung für das Buch schwer tue. Genauso falsch wäre es aber auch, das Buch nicht zu empfehlen. Fakt ist, dass das „Praxishandbuch B2B-Marketing“ eine Lücke zwischen Lehrbüchern und Magazin- und Blogartikeln schließt. Es ist ein Sammelwerk, gewissermaßen eine Bestandsaufnahme. Vieles wird nicht detailliert genug behandelt, anderes dafür breit ausgewalzt. Für gut 80 EUR gibt es ein Werk, das man sich ins Regal neben das Kotler-Standardwerk stellen kann und in dem man beizeiten das ein oder andere nachlesen kann.
Wer hingegen über ein SpringerLink Abo verfügt, der wird sich diese Frage nicht stellen und das Werk herunterladen. Das haben immerhin schon über 152.000 Nutzer (Stand: Dezember 2021) weltweit getan. Das zeigt, dass das Buch einen Nerv getroffen hat! Entweder recherchieren Sie die 34 Themen des Buches also selbst im Internet, oder Sie wählen den bequemeren Weg und bestellen das „Praxishandbuch B2B-Marketing“ in der gebundenen Ausgabe. Als angenehmer Nebeneffekt macht es auch etwas im Regal her, aber das habe ich ja schon gesagt.
Takeaway (TL;DR)
- Das „Praxishandbuch B2B-Marketing“ ist mit 921 Seiten und über 30 Autoren extrem umfassend.
- Best Practice Beispiele und direkte Praxisbezüge machen den Titel zum Programm.
- Inhaltlich wird der Status Quo modernen B2B-Marketings abgedeckt.
- Beiträge unterschiedlicher Autor:innen machen das Lesen zum Teil schwer, Inhalte sind z.T. redundant.
- Der Praxisnutzen des Buches entsteht durch die Bündelung der Stoffsammlung als Buch.
- Wer ein SpringerLink Abo besitzt, sollte sich das Buch in jedem Fall herunterladen.
Bildquellen
- anne-nygard-sHyerRuFqT4-unsplash: Unsplash [@polarmermaid] | CC0 1.0 Universal
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