Der Angelsachse nennt es „Long Tail“, bei uns ist es der lange Atem. Anders als im Konsumgütermarketing ist erfolgreiches B2B-Marketing das Ergebnis langfristigen Handelns und der zugehörigen Planung. Und der inneren Einstellung. Die Devise lautet: Nicht gleich aufgeben. Ein Plädoyer für das Durchhalten, die Resilienz und den Glauben – denn den dürfen Sie nicht verlieren. Niemals!
Ich erinnere mich an eine meiner ersten beruflichen Stationen im Marketing. Die Absatzzahlen waren schlecht, die Geschäftsführung schaltete schnell von „ungeduldig“ auf „ungehalten“. Die damalige Marketing- und Vertriebsleitung blieb angesichts des Gegenwindes aus der Geschäftsleitung ruhig, vielleicht auch aufgrund von langjähriger Berufs- und Branchenerfahrung. Die Leitmesse stand vor der Tür und anstatt in Aktionismus zu verfallen, wurde weiter an den Produkthighlights für die Messe gearbeitet und der USP noch einmal etwas klarer herausgestellt. Es wurden auch neue Ideen generiert, um Händler zu aktivieren und auf die Messe einzuladen. Und um die Geschäftsführung zu beruhigen und sich deren Unterstützung zu sichern. An der eigentlichen Ausrichtung, die zuvor in Frage gestellt wurde, änderte sich bis zur Messe nichts. Und das war gut so, denn die Messe wurde der größte Erfolg des Unternehmens. Bereits auf der Messe wurden Verträge unterzeichnet und die Umsätze schossen in der Folge nach oben.
Natürlich hätte das auch alles anders ausgehen können und ich muss gestehen, dass mir nicht alle Details bekannt sind. Ich war noch ein sehr junger Marketeer seinerzeit. Mir geht es um die Quintessenz: Nicht gleich aufgeben, wenn man von einer Idee überzeugt ist. Heute erscheint mir das umso wichtiger, denn die Kommunikation dreht sich immer schneller. Und die Erwartungshaltung im Hinblick auf Short-Wins ist hoch wie nie zuvor.
Resilienz als Schlüssel zu erfolgreichem B2B-Marketing
Jeder Mensch besitzt unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten, mit Druck, Veränderungen, Ungewissheit und Rückschlägen im Leben umzugehen. Wer über eine hohe Resilienz verfügt, wird von anderen als selbstbewusst, gelassen, zuversichtlich und zielorientiert beschrieben. Doch nicht nur Menschen können resilient sein, sondern auch Marken. Im Marketing gibt es den Begriff „Brand Resilience“ bzw. Markenresilienz, die auf die Robustheit und Agilität von Marken in Zeiten starker Veränderung abzielen. Resilienz finden Sie nicht nur in herausfordernden Situationen Ihres (beruflichen) Alltags. Auch im Bereich des Unternehmens und der Marke gibt es herausfordernde Situationen, die es zu meistern gilt. Denken Sie nur an Corona / Covid – eine der größten Herausforderungen unserer Zeit auf allen Ebenen.
Wissenschaftlichen Untersuchungen und Analysen zufolge gibt es sieben Faktoren von Resilienz: Emotionssteuerung, Impulskontrolle, Kausalanalyse, Selbstwirksamkeitsüberzeugung, Empathie, Optimismus und Zielorientierung. Anhand der Covid-Pandemie lassen sich diese Wirkprinzipien sehr gut herausarbeiten: Wie hat Corona sich auf Ihr Leben und das Ihrer Kollegen und Mitarbeiter ausgewirkt? Versuchen Sie einmal, die zurückliegenden Monate für sich selbst anhand dieser sieben Aspekte aufzuarbeiten. Bleiben Sie bei Ihrer Retrospektive realistisch und selbstkritisch. Und wenn Sie gerade schon dabei sind, das für sich selbst aufzuarbeiten: Wie schaut es denn mit dem Umgang Ihrer Unternehmenskommunikation im Hinblick auf Corona und Lockdowns aus?
Vertrauen ist eine Währung
Im Wesentlichen hat Resilienz mit Vertrauen zu tun. Vertrauen in sich selbst, wenn es um die persönliche Widerstandsfähigkeit geht. Andererseits Vertrauen in Unternehmen, wenn es um Markenresilienz (Brand Resilience) geht. Der Erfolg eines B2B-Unternehmens ist eng mit dem Vertrauen verbunden, welches Kunden in eine Marke setzen. Aber auch mit der Art und Weise, wie Marken/Brands sich selbst inszenieren bzw. wie sie den Markt gestalten und beeinflussen. Beides hat einen Einfluss auf die Attraktivität für Kunden und damit auf das Markenvertrauen. Bleiben wir noch einmal beim Covid-Beispiel: Wie risikofreudig ist Ihr Unternehmen mit der Krise umgegangen? Wie kundenorientiert haben Sie sich seither präsentiert – hier vor allem im Hinblick auf „Dienst am Kunden“? Welche Werte haben Sie in dieser Phase verfolgt und kommuniziert? Konnten Sie Mehrwert aus Ihrem Netzwerk schöpfen und sich dadurch vom Wettbewerb differenzieren? Und last but not least: Wie gut haben Sie sich an die neuen Gegebenheiten angepasst?
Ich habe während Corona viele Unternehmen im B2B-Bereich erlebt, die mit Vollgas nach vorne marschiert sind. Damit meine ich nicht die offensichtlichen Gewinner, wie Microsoft oder TeamViewer, mit ihren Virtualisierungslösungen. Auch nicht Start-ups, wie Ubirch oder Spezialisten, wie Dräger, die Beatmungsgeräte herstellen. Wenn ich von Vollgas spreche, meine ich Unternehmen, wie den Kunststoff-Maschinenbau-Hersteller Arburg. Dieser hat aus dem Markenvertrauen-Pentagramm nahezu alle Aspekte aufgegriffen und erfolgreich umgesetzt – auch und besonders im Hinblick auf das B2B-Marketing. Direkt zu Beginn der Pandemie wurde gemeinsam mit Partnern ein Anpassungsprozess initiiert, um dringend benötigte Schutzmasken und -brillen zu fertigen. Arburg reagierte risikofreudig, anpassungsfähig, vernetzt, wertorientiert und serviceorientiert auf die neue Situation. Gleichzeitig trieb der Maschinenbauer die Digitalisierung und Innovation voran. Interaktive Formate wurden weiterentwickelt, um Kunden entweder besser anzusprechen oder ihnen einen Mehrwert zu bieten.
Vom kurzfristigen Erfolg zum Erfolg durch Vertrauen
Daneben gab es zahlreiche weitere gute Beispiele für erfolgreiches B2B-Marketing und die Eroberung neuer Märkte in Krisenzeiten. Digitale Formate, wie Webinare, waren beliebt wie nie zuvor. Entsprechend nutzten zahlreiche Unternehmen die Gunst der Stunde, um dadurch neue Kunden und Märkte zu gewinnen. Dabei wagten viele Firmen erstmals digitale Experimente in der Kommunikation – von der Live-Sendung aus der Fertigung bis hin zu neuen Tools und Formaten. Das sicherte kurzfristige Erfolge, ist aber kaum nachhaltig und hat mit Resilienz zur in Teilen zu tun (Risikobereitschaft, Anpassungsfähigkeit). Dennoch zeugt diese Reaktion von resilientem Verhalten, wenngleich sie meist alleine erbracht wurde. Über dies hatte sie wenig mit einem Dienst am Kunden als vielmehr mit profaner Gewinnerzielungsabsicht zu tun.
Resiliente Unternehmen sind in dieser Hinsicht anders aufgestellt. Sie sind erfolgreich, weil sie ohne große Kraftanstrengung gegen Krisen gewappnet sind. Der Dienst am Kunden ist fest in ihrer DNA verankert. Und ob Purpose-Driven oder nicht, stehen sie für Werte und kommunizieren diese erfolgreich in sämtlichen Kommunikationskanälen. Sie ändern ihren Kurs nicht, um eine Krise zu meistern. Für sie ist die neue Situation nur eine Veränderung des Zustandes. Der Gesamtrahmen und das zugehörige Setup werden hierdurch nicht zwingend beeinflusst.
Erfolgreich und nachhaltig Vertrauen aufbauen
Glück? Zufall? Mitnichten. Hinter dem zuvor geschilderten Verhalten steckt ein System. Und viel davon hat mit Kommunikation zu tun. Was kann das Marketing beitragen, damit B2B Unternehmen erfolgreich Vertrauen in die eigene Marke aufbauen können? Zunächst einmal muss der Kunde mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen, Stichwort Customer Centricity. Und Sie müssen in einem oder für ein Unternehmen arbeiten, in dem Werte einen gleichermaßen hohen Stellenwert haben, wie Kunden. Dann können Sie mit einem Storytelling-Ansatz und zielgerichtetem Content-Marketing damit beginnen, das Vertrauen Ihrer Kunden zu gewinnen.
Ich erspare Ihnen einen Abriss über das konkrete Vorgehen, da gibt es bereits exzellente Beiträge und Bücher mit Tiefgang. Wichtig ist die eindeutige Botschaft, die Sie als Unternehmen an Ihre Kunden und Interessenten senden. Seien Sie eindeutig. Wenn Sie über Produkt A reden, dann reden Sie nur über Produkt A. Vor allem darüber, wie es dem Kunden dabei hilft, sein Problem zu lösen. Nicht über Service, nicht über Produkt B und nicht über Zusatzleistungen. Je präziser und eindeutiger Ihre Botschaft ist, umso klarer wird sie aufgenommen. Klarheit und Transparenz helfen Ihnen dabei, Vertrauen aufzubauen.
Offener Umgang mit Fehlern
Je authentischer und wahrhaftiger Sie kommunizieren, desto schneller gelingt es Ihnen, Vertrauen aufzubauen. Ein offener Umgang mit Fehlern und Fehlschlägen macht Sie in der Kommunikation weniger angreifbar, lässt Sie sympathischer erscheinen und letztlich auch kompetenter. Nur wer Fehlschläge erlebt, lernt. Und in der Außenwirkung hilft das Eingestehen von Fehlern und ein offener Umgang damit sehr nachhaltig bei der Vertrauensbildung. Denn niemand mag Streber und Besserwisser. Wer immer alles richtig macht, Fehler unter den Teppich kehrt und den Status als Klassenprimus untermauert, wirkt unglaubwürdig. In Zeiten von Bewertungsportalen und transparenten Märkten ist die nächste ehrliche Bewertung durch Kunden ohnehin nur einen Mausklick entfernt. Lernen Sie, damit umzugehen und Sie haben die wichtigste Hürde zum Vertrauensaufbau genommen.
Aktives Zuhören ist wichtig für erfolgreiches B2B Marketing
Nichts schafft und erhält Vertrauen so sehr, wie regelmäßig und offen miteinander zu reden. Wohlgemerkt: Miteinander. Das setzt voraus, dass Sie zuhören und an den Belangen Ihrer Kunden wirklich interessiert sind. Das meine ich mit Serviceorientierung und „Dienst am Kunden“. In den meisten Unternehmen, für die ich bisher tätig war, wird vorausgesetzt, dass Sales, Service und Produktentwicklung wissen, was der Kunde möchte. Und genauso wird das auch artikuliert – intern in jedem Fall, aber zum Teil auch in der externen Kommunikation. Für eine Verbesserung kann die Entwicklung von Buyer Personas im B2B-Marketing sorgen. Personas helfen Unternehmen dabei, im Sinne einer durchgängigen Customer Experience den Weg zu einem echten Kundendialog zu ebnen. Lernen Sie im Dialog mit Ihren Kunden von Ihren Kunden. Wenn Sie erfolgreich sein wollen muss dieser Prozess durch das gesamte Unternehmen gehen und darf sich nicht nur auf B2B-Marketing und -Vertrieb beschränken.
Was hat das mit erfolgreichem B2B Marketing zu tun?
Meiner Meinung nach gehören Resilienz, Vertrauen und Fehlerkultur zu den Grundpfeilern für ein erfolgreiches B2B-Marketing. Das steht in keinem Lehrbuch und ist empirisch sicherlich zu belegen, aber faktisch gesehen habe ich keine Zahlen, die meine Meinung stützen. Nur meine Erfahrungen und Beobachtungen. Im Tagesgeschäft werden diese Werte oft überlagert. Dennoch sind sie vorhanden und werden in zahlreichen Industrieunternehmen gelebt. Dort ist bekannt, dass ein Verkaufsprozess sich über Monate, wenn nicht sogar Jahre ziehen kann. Wirklich bewusst sind diese versteckten Hebel für ein erfolgreiches Marketing im B2B-Umfeld jedoch nur den wenigsten.
Und hier schließt sich der Kreis: Erfolgreiches B2B-Marketing ist nichts für Ungeduldige. Gerade die Chefetage ist hier gefordert, um eine gute Balance zwischen operativen Erfolgen und langfristiger Ausrichtung zu finden. Das Marketing hat hier einen intensiven Aufklärungs- und Beratungsauftrag, der einen langen Atem und Resilienz erfordert. Denn eine offene Fehlerkultur beispielsweise muss von oben gewollt und gelebt werden. Erst dann können Sie diese intern wie extern kommunizieren. Ein Bottom-up-Prozess funktioniert hier in der Regel nicht und Lippenbekenntnisse werden ebenfalls schnell als solche entlarvt.
Wer nachhaltigen Erfolg sucht, muss sich auf den langen Weg zum Kunden begeben. Und eine Enttäuschung kann ich Ihnen vorweg nicht ersparen: Sie werden nie am Ziel ankommen, immer nur an Zwischenstationen. Nie hat der Satz „Der Weg ist das Ziel“ mehr Relevanz und Wahrheit enthalten, als im Zusammenhang mit erfolgreichem B2B-Marketing. Seien Sie also nicht ungeduldig, oder lassen sich von der Ungeduld anderer anstecken. Fokussieren Sie Ihre Kunden, legen Sie sich eine Go-to-Market-Strategie zurecht und helfen Sie Ihrem Unternehmen dabei, eine Markenresilienz aufzubauen. Dann gehören Sie zu den Gewinnern der nächsten Krise, die garantiert auf dem Weg wartet.
Takeaway (TL;DR)
- Resilienz und Vertrauen sind Eckpfeiler einer erfolgreichen B2B-Kommunikation.
- Vertrauen in Ihre Marke ist essenziell für zukünftige Erfolge.
- Sorgen Sie für Transparenz und eine offene Fehlerkultur in Ihrem Unternehmen, das schafft Vertrauen.
- Treten Sie in einen echten Dialog mit Ihren Kunden und hören Sie aktiv zu.
- Seien Sie risikofreudig, anpassungsfähig und gut vernetzt – das hilft nicht nur in Krisenzeiten.
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